Dienstag, 17. Januar 2017

Die Sache mit dem Essen

Was bedeutet Essen für uns? 

Nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern Gefühl! Davon nicht zu wenig.


Natürlich Essen wir, weil wir müssen - aber in unserer Industriegesellschaft würde längst niemand verhungern wenn wir 2 Wochen nicht essen würden. Viel mehr ist essen für uns etwas, das positive Gefühle in uns auslöst. Haben wir Geburtstag - belohnen wir uns und unsere Gäste mit besonders guten Mahlzeiten. Jegliche Einladungen oder besonderen Anlässe feiern wir gerne auch mit Qualität und damit hochwertigem Genuss.
Wir freuen uns darauf - bei Hochzeiten, Weihnachtsfeiern, und sogar beim Leichenschmaus nach Beerdigungen wird nicht verzichtet. Essen in Gesellschaft hat bei uns einen hohen Stellenwert erlangt! Wir fühlen uns einfach gut und haben Spaß oder vernichten die Einsamkeit in uns die auch ich gerne umgehe.


Wer aus Einsamkeit isst will ähnlich wie beim Essen in Gesellschaft ein positives Gefühl verstärken. Genugtuung und Zufriedenheit wenn Schokolade im Mund schmilzt oder der angenehme Salzgeschmack der Chips oder Erdnüsse wenn es im Mund kracht. Sättigung oder Befriedigung von Verlangen gehören wohl zu den schönsten Gefühlen. Mit Gesundheit hat dies allerdings nichts zu tun. Nur im bestimmten Rahmen ist es gesund wenn wir uns mit Essen belohnen. Eine Hochzeit, der Geburtstag, ein langer Lauf <3, eine bestandene Prüfung oder auch die Erhöhung des Gehaltsschecks sind Anlässe im gesunden Rahmen, nach denen aber jeder zur Tagesordnung und zum normalen Essverhalten übergehen soll.

Viele Menschen sind jedoch im Laufe der Zeit und mit Veränderungen der "Keine-Zeit-Gesellschaft" davon abgekommen einen normalen Tagesablauf beizubehalten indem es nicht immer jede Leckerei geben kann. Auch Stress, Frust und Traurigkeit sind im allgemeinen Größer geworden; man muss sich nur umsehen und mal kurz inne halten, wenn die Welt aneinander vorbeihastet und sich Bäckertüten samt Inhalt ins Gesicht schiebt.
Besonders das Berufsleben sorgt oft für diese Ekel-Gefühle welche zu einer massiven Demotivation führen. Jedes positive Gefühl ist dann machtlos - es sei denn - man isst.


Ein langer Arbeitstag geht zu Ende - egal welche Branche, Stress gibt es überall, trotzdem werde ich im besonderen öfter auf die Pflege zurück kommen.
Ich komme nach Hause und bin betäubt, vom Telefongeklingel, der Patientennotglocke, dem Monitoralarm, da brauch ich erst mal Kaffee, einen Stuhl und einen Müsliriegel. Wenn man von Frühdienst spricht ist genau dass mittlerweile meine Routine um wieder runterzukommen. Ich habe das Glück aufgefangen zu werden, viele sind aber auch alleine wenn sie nach Hause kommen. Katze oder auch Hund können den Seelenterror spüren - ihn sogar mildern, trotzdem muss man alleine damit klar kommen. Verschwinden wird der Stress - zumindest für den Moment mit Pizza, Fast Food, Eiscreme und Co.. - nicht nur Fast Food führt zur Stillung des Verlangens oder zum Stressrelief, eigentlich ist es nämlich egal was wir in uns aufnehmen; Warum also nicht etwas gesundes!

Tag ein, Tag aus beobachte ich Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung - Zuhause aber besonders auch im Beruf die mit Ihrem trägen Willen kämpfen. Es wird niemand hier angegriffen, ich schildere Beobachtungen und oft sind es auch meine eigenen Handlungen die ich Beobachte wenn der Patient X mal wieder die Extragroße Pralinenschachtel als Dankeschön für die netten Serviceleistungen da lässt. Ich greife rein, habe ich ja verdient.. habe ich das?
Eine Geringschätzung unserer Arbeit führt zu massivem Frustaufbau. Wir Pflegekräfte tun den Patienten leid "wir müssen ja so rennen", "des arme Mädchen hat keine Zeit", das mag alles sein, deshalb frage ich mich was die Schokolade bewirken soll. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Bankangestellten erlangen bei den gleichen Personen kein Mitleid. Ekel überkommt mich manchmal wenn ich den nächsten Kuchen annehmen muss. Wir werden bezahlt für unsere Arbeit! Über die Höhe des Gehalts, die Rahmenbedingungen und den Stresspegel zwischen mir und einem Büroangestellten können wir streiten aber eins steht fest: Ich will niemandem Leid tun, habe mir meinen Beruf ausgesucht, ich mag was ich gelernt habe.
Das ist nun der Unterschied, was ich heute tue hat außer in der Theorie nicht viel mit meiner Ausbildung zu tun. Auch diese Tatsache wird wohl vielen Arbeitenden bekannt sein, egal welches Berufsfeld.
Es sind die Umstände unter denen man seine Arbeit tun muss. Stress und Wut werden so zum Nährboden von Übergewicht. Sie werden zur Entschuldigung. Stress und Wut sind eine so große Belastung für den Geist, dass wir umgehend versuchen wollen diese widerlichen und hinderlichen Gefühle los zu werden. Ist es nun also gut dass ich im Pausenraum ständig Süßkram für alle Fälle stehen habe?! Die "alle Fälle" sind ja allgegenwärtig andauernd.. Ich bin es leid, dass ich durch den schwerwiegenden Dank unserer Patienten selbst so schwerwiegend werden soll. Ein Ausgleich muss her!


Im Berufsalltag selbst können wir nicht ums Haus rennen, in den Boxsack schlagen oder verbal ausfällig werden. Wir können vielleicht ein paar Sekunden meditieren aber nicht das gesamte Seelenmalbuch auspacken. Essen ist natürlich möglich aber davon will ich abkommen, zumindest außerhalb der Pause!
Seit knapp 15 Jahren arbeite ich in Pflegeeinrichtungen. Praktika im Altenpflegeheim, Ausbildung im Akutkrankenhaus und der Einstieg ins wahre Berufsleben auch im Akutkrankenhaus - wenn auch ein anderes. In diesen 15 Jahren sind mir gehäuft sensible Personen begegnet (wie ich auch) die sich oft aufopfern, intelligent und organisiert sind aber trotzdem seelisch oft im Ungleichgewicht scheinen. Dazu muss ich anfügen dass ich von meinen Begegnungen während der Arbeitszeit rede und nicht von den Personen wie sie sich vielleicht zu Hause verhalten, dies sollte sich unterscheiden :)

Mein eigenes Helfersyndrom bei dem ich mich immer wieder selbst ertappe scheint auch nicht schlecht ausgeprägt.. Führte es nicht dazu dass ich bei jeglichen Weiterbildungen hier schrie und nun vor lauter Engagement auf Station meine Arbeitsstunden reduzieren musste - Selbstschutz ist wichtig. Selbstschutz kann man nur betreiben wenn man eigene Macken akzeptiert und entweder kontrolliert oder ausbalanciert.
Da ist dieses Ding mit der Ernährung, dass ganz ähnliche Macken in einem hervorbringen kann. Eine emotionale Unbalance führt oft dazu ein gestörtes entschuldigendes Essverhalten zu entwickeln. Vielleicht isst man aber auch nicht falsch, vielleicht nutzt man seine geschufteten Arbeitsstunden auch einfach zum Beine hochlegen und vergisst dabei die gezielte Bewegung - Meist ist es aber doch das Cortisol-verseuchte Stresslevel.

Mein Lieblingsthema nun neben dem Essen, der Stressabbau. Zu meiner Kollegin sagte ich neulich es müsste für unsere Patienten so ein Ventil geben, dass man einfach aufmacht und das böse Ödem einfach abfließt. Das gibt es natürlich nicht, aber doch irgendwie. Für uns gibt es ein Ventil, die, wie wir gesund (hauptsächlich) durch das Leben wandern und uns stressen lassen. Der Dampf muss raus, das geht am besten indem wir ins kühle Nass springen, oder der peitschende Wind bei uns auf dem Rad Platz in unserem Hirn schafft. Ich persönlich habe mein Ventil gefunden. Ich laufe und laufe und laufe. Mein Körper findet das gut. Zwar muss ich mich um Ausgleichssport bemühen denn jemand der auf einmal von 0 auf 100 geht bekommt das nur bedingt verziehen. Also fahr ich Fahhrrad, gehe schwimmen und mache Stabilisationstraining. Am wichtigsten bleibt der Lauf - den Kopf freiballern, der Aggression davon laufen.
Man muss kein Megasportler werden, meine Ventile haben viele Hähne - so gehe ich viel Spazieren mit meinem Hund aber auch eine Massage im Studio meiner allerbesten (<3) kann so ein Ausweg sein. Ein Weg zu Ruhe, ein Gang zur Stadtbibliothek oder auch mal zum Onlineshoppingportal meines Vertrauens wenn die Zeit knapp ist ;) Was ich sagen will, es sind so viele Möglichkeiten. Couching ist keine davon, wenn aber doch dann den Wecker auf 20 Minuten stellen und fertig.


Der massive Druck in der Pflege wird sich in Zukunft nicht verändern. Gesundheitspolitik und Pflegereform, diese ganzen Wörter... es sind nur Wörter. Solange die Gesellschaft nicht erkennt dass ein Smartphone oder der Großraum Internet keine Schutzhosen wechselt oder gar für deine Körperpflege sorgt, wenn du selbst nicht mehr kannst, solange in China weiter an Pflegerobotoren gebastelt wird anstatt jemand daran tut Stellenpläne zu optimieren und solange dass dem Staat nicht wichtiger wird und er nicht sieht dass eine Maschine vielleicht Tabletten richten kann oder Dokumentationen erledigt, bleibt es so. Der Staat sieht nicht was die Pflege sieht. Menschen die mit der Hälfte des Gesichtes lächeln, oder die, die grauäugig umherstreifen und Bushaltestellen in Gebäuden suchen. Studierte Politiker in glänzenden Anzügen die Diäten verdienen anstatt sie zu machen. Schwer erträglich dass davon der Pflegealltag abhängt.
Der Umstand obiges zu sehen und tagtäglich damit umzugehen sorgt für Hunger um nicht zu sagen unbändigen Hunger. Hunger nach Zufriedenheit für die Kollegen, die so gut sind - und für sich selbst.


Man kann rauskommen aus dieser Mühle, am besten bevor das Burnout uns zermahlt. Selbstdisziplin, Ehrlichkeit und Kontrolle. Bei mir dauert es nun auch schon eine Weile an und ich bin jeden Tag daran Kraft aufzubringen und den Ehrgeiz sich über den Naschwahnsinn des Pausenraums hinwegzusetzen.
Es muss ein Kampf sein der sich lohnt - für ein besseres Leben, Körperbewusstsein und was mir am wichtigsten ist: Um meinen Job nicht zu hassen! Meine Mutter (die Rentnerin ;)) sagt jeden Tag "Es ist so wichtig was du tust" ---
Ich sorge dafür dass es auch mir wichtig bleibt! Sorge auch du für dich!

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