Migräne
Es ist fast schon eine Geschichte, meine Geschichte, die ich nun schon über 15 Jahre mit mir herumtrage. Es ist ein kleiner Teil von mir, trotzdem einschneidend und niederschmetternd. Schnell wieder vorbei aber scheinbar unendlich.
Wer Sie schon erlebt hat weiß wovon ich rede, und ich bin froh dass meine nach maximal 24h auch wieder verschwindet, immerhin hält es bei anderen mehrere Tage und gar Wochen an. Da darf ich mich wohl auch wieder glücklich schätzen.
Seit ich 14 Jahre alt bin, erschüttern widerliche Anfälle meinen Kopf. Im Fachbuch steht dass Sie häufig im 35.-40. Lebensjahr ausbricht und etwa 12-14% der Frauen und ca. 6% der Männer betroffen sind.
Ich versuche oft Sie einzugrenzen, festzustellen wann es kommt aber es geht nicht. Als Jugendliche war ich teilweise 3x pro Woche außer Gefecht gesetzt und später mehrmals pro Monat. Es kam auch vor dass Sie 6 Monate aus blieb und dann wieder alle 10 Tage antanzte.
Man führt schon irgendwie ein Doppelleben, mit dieser Bombe im Kopf die jederzeit explodieren kann. Man plant sein Leben, macht Termine oder Verabredungen aus - und "bääääm" da kommt Sie auch schon... Rigoros zerschmettert Sie einfach alle Vorhaben und reduziert diese aufs Bett und geschlossene Rolladen. Natürlich erwischt es mich auch wenn ich mal nichts vorhabe.. nur dann muss man sich nicht erklären. Diese Gesichter und Tonlagen die zur Antwort kommen, wenn man von Migräne spricht gehen schon weit auseinander. Meist kann das gegenüber nur schwer verstehen dass es wirklich ist und meint es sei "nur" Kopfschmerz - den man hin und wieder vielleicht als Ausrede einsetzt.. OHHHHHH NEIN.. Migräne ist ein Kopfschmerz in Dimensionen die man sich nur vorstellen kann wenn man diese selbst durchlebt hat. Denn es nutzt nichts, sich kurz mal auszuruhen, es nutzt nichts sich Medikamente einzuwerfen.. es nutzt einfach nichts.
Da liegt man nun, dunkler Raum, vorzugsweise mit Bett, denn Fernsehergeräusche machen dass ganze noch unerträglicher. Begleitet von Übelkeit und Erbrechen will ich manchmal meinen Kopf an die Wand schlagen um den dumpfen, drückenden Schmerz zu überbieten. Manchmal "nur" weinend, manchmal ganz still, wenn man zwischen Trance und Realität schwebt. Ich neige schon etwas zu Melancholie, was wohl mit meinem Sensibelchen-Ich zusammen hängt. Vielleicht kann ich so das Geschehnis aber auch besser aushalten. Schließlich weiß ich dass morgen alles wieder Gut ist.
Es ist trotzdem schwer zu ertragen dass mir kostbare Lebenszeit so genommen wird und so führt jeglicher Anflug dieser Pest schon zu deprimierender Stimmung. Unendlich Traurig gebe ich mich mittlerweile geschlagen und verzieh mich mit meinem Eimer.
Es ist nicht alles Gold was glänzt! Jedem dem du begegnest, mag den Anschein erwecken alles sei Super. Aber es hat jeder sein Päckchen zu Tragen. Ich liebe diese Floskel, weil ich Sie wirklich als Wahr empfinde. Natürlich gibts auch die, die sich rundum glücklich schätzen. Zwischen, Nach und Vor meinen Migräne-Anfällen bin ich das auch.
Meine Freunde kennen das. Wir mussten schon so manchen "Musik"-Party-Abend früher verlassen, nebenbei muss man dann ins Feld oder den Mülleimer im Kinosaal beehren. Da braucht man nichts schön reden. Die meisten Veranstaltungen konnte ich erst gar nicht besuchen, obwohl es so lange geplant war. Außerplanmäßige Stops auf Autobahnen dürfen auch nicht fehlen, ich weiß wie es hinter Leitplanken aussieht. Man darf einen Tag später auch drüber lachen.
Mein Mann und meine beste Freundin müssen mich nur kurz ansehen. Sie wissen schon vor mir wie mein Tag ausgeht.
Ich ging krank zur Arbeit und damit auch krank von der Arbeit, immerhin dass habe ich mir gemerkt und bleibe nun gleich Zuhause anstatt den Märtyrer zu spielen. Den will niemand haben.
Es tut weh - als wären Arterien zerborsten oder Risse im Schädel. Als würde ein eiserner Schraubstock mit ganzer Kraft die Ohren zusammendrücken. Fast schon poetisch ;)
Vielleicht ist dass das positive der Schmerzen. Man kann in allem etwas positives finden. tiefsinnig und empathisch wird man allemal, wenn man soetwas durchgestanden hat.
Ich könnte sogar ein Buch über Toiletten schreiben, nämlich welche super sind und wo man nicht mal zum "sich übergeben" hingehen sollte...:) Man lernt dazu!
Bevor man sicher sein kann dass es Migräne ist (schließlich war ich 14) habe ich im Laufe der nächsten Jahre so einiges abklären lassen. Von EEG über CT zeigten sich zum Glück keine Spinnereien. Lediglich ein paar hässlich durcheinander geratene Hormone wirbeln in mir ihr Unwetter. Tja, so unspannend Hormone auch sind, habe ich es mir wohl mit ebendiesen grundlegend verscherzt ;)
Die Medizin ist ziemlich erfinderisch und es gibt so viele Behandlungsmöglichkeiten für Madame Migräne. Von niedrigdosierten ß-Blockergaben, über Triptane und andere Langzeitmedikamente, sogar Antiepileptika. Das meiste habe ich ausprobiert. Mir wurde von den Medikamenten nur noch mehr übel, deshalb habe ich für mich festgelegt, einfach nichts mehr zu nehmen, sowieso ungesund für Leber und Co. Sogar mein Hausarzt der mir starke Schmerzinfusionen zukommen ließ hat nicht schlecht gestaunt dass ich irgendwie resistent scheine.
Das einfachste Rezept bei Migräne ist für mich ein Bett, ein Eimer und ein geschlossenes Fenster mit Rolladen. Dann ein paar Stunden - maximal ein Tag warten. Fertig. Mein Leben geht weiter.
Es soll Sie geben - die Trigger ;) Auch diese Parmesan - Rotweingeschichten versuchte ich und es hat nichts gebracht. Rotwein trinke ich sowieso nicht aber bei Parmesan bin ich echt froh. Den liebe ich. Der darf bei den Pasta-Partys nicht fehlen.
Yoga, progressive Muskelentspannung, Dehnübungen, Gewichtsreduktion. Das alles tut super gut, aber die Migräne bleibt. Ich habe mich damit abgefunden, und dass fällt mir leicht zu schreiben, während ich gerade keine Schmerzen habe aber wenn es dann mal wieder soweit ist und das Leben einfach so gemein erscheint, muss man sich trösten, denn es geht vorbei.
Natürlich weiß ich, da ich es jeden Tag sehen muss dass es anderen Menschen wesentlich schlechter geht und diese hätten wahrscheinlich gerne einfach Migräne anstelle von chronisch degenerativen Erkrankungen.
Daran werde ich jeden Tag erinnert wenn ich zur Arbeit gehe. Trotzdem war es mir wichtig klarzustellen dass Migräne nicht einfach Kopfschmerz bedeutet.
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